Mit der Steppen-Koralle macht die
Österreichische Mykologische Gesellschaftauf eine in Mitteleuropa ausgesprochen seltene Pilzart der Halbtrocken- und Trockenrasen sowie Steppen aufmerksam.
Beschreibung
Die bis ca. 5 cm hohen Fruchtkörper haben einen einfachen, oft deutlich in den Erdboden eingesenkten Strunk, nach oben hin verzweigen sich die korallenförmigen Äste mehrfach, die Astenden sind schließlich relativ fein verzweigt. Der ganze Fruchtkörper ist mehr oder weniger einheitlich cremefarben bis ockergelb gefärbt. An der Basis des Strunks sitzen auffällige, weiße und ebenfalls verzweigte Myzelstränge (Rhizomorphen). Das Fleisch ist brüchig und hat weder einen besonderen Geruch noch Geschmack.
Lebensweise
Die Steppen-Koralle ist durch ihr Vorkommen an offenen und sehr wärmebegünstigten Standorten – insbesondere Trocken- und Halbtrockenrasen bzw. steppenähnlichen Habitaten (z. B. Felssteppen) – gut charakterisiert. Ihre Fruchtkörper entwickeln sich bevorzugt zwischen Moosen und bodenbewohnenden Flechten. Über die genaue Lebensweise der Steppen-Koralle ist noch wenig bekannt, vermutlich lebt sie aber saprobiontisch, d. h. boden- bzw. streuzersetzend. Auch eine symbiotische Beziehung mit gewissen Pflanzen der Trockenrasengesellschaften ist nicht auszuschließen. Die Lebensräume mit Vorkommen der Steppen-Koralle sind häufig aus botanischer, zoologischer und mykologischer Sicht ausgesprochen interessant.
Verbreitung
Die ursprünglich aus der Schweiz beschriebene Steppen-Koralle scheint ausschließlich in Europa vorzukommen. Länder mit sicheren Nachweisen sind Deutschland, Dänemark, die Niederlande, Österreich, Schweden, die Schweiz und Tschechien, weitere Funde sind aus Estland, Frankreich, Italien, Polen und Slowenien gemeldet.
Funde in Österreich
In Österreich wurde die Steppen-Koralle bislang an zwei Orten in der Steiermark und im Burgenland nachgewiesen. In der Steiermark wächst sie auf einem steilen, südwestlich exponierten Halbtrockenrasen auf ungefähr 510 m Seehöhe.
Der burgenländische Nachweis stammt aus dem Naturschutzgebiet „Siegendorfer Puszta und Heide“. Bei diesem mykologisch relativ gut untersuchten Gebiet handelt es sich um Halbtrocken- bzw. Trockenrasen auf kalkhaltigem, sandigem Boden.
Gefährdung
Halbtrocken- und Trockenrasen sowie Sekundärsteppen sind in erster Linie durch Nutzungsaufgabe oder falsche Beweidungsformen sowie durch Wiederaufforstung gefährdet. Auch Stickstoffeinträge von umliegenden landwirtschaftlichen Flächen können langfristig negative Auswirkungen auf viele nährstoffmeidende Pilzarten haben.
Vom Schutz entsprechender Standorte aufgrund besonderer Pflanzen- oder Tierarten profitieren auch Pilze wie die Steppen-Koralle. Leider spielen Pilze im Naturschutz jedoch eine sehr untergeordnete Rolle, weshalb sie bei der Ausweisung von Schutzgütern bzw. bei Managementplänen in der Regel nicht berücksichtigt werden. Aus diesem Grund können beispielsweise Pflegemaßnahmen in Naturschutzgebieten auch negative Auswirkungen auf die Vorkommen schützenswerter Pilzarten haben. Stärkere Einbindungen von Mykologen im Naturschutz wären daher sehr wünschenswert.
In der 2017 erschienenen Roten Liste der Großpilze Österreichs ist die Steppen-Koralle nicht berücksichtigt, da sie erst 2021 für Österreich nachgewiesen wurde. Die Bindung an vielerorts gefährdete Lebensraumtypen würde jedoch für einen hohen Gefährdungsgrad sprechen. In der Roten Liste der IUCN (International Union for the Conservation of Nature) erfolgte eine Einstufung in der Kategorie 3 (VU – vulnerable/gefährdet).
Schutzmaßnahmen
Für die langfristige Erhaltung entsprechender Lebensräume sind in der Regel menschliche Eingriffe in Form von extensiver Beweidung oder durch schonende Mahd erforderlich, um der natürlichen Sukzession (Verbuschung) vorzubeugen. Jeglicher Nährstoffeintrag in die Flächen – beispielsweise auch durch Zufütterung von Weidetieren – ist nach Möglichkeit zu vermeiden.
Verwechslungsmöglichkeiten
Achtet man auf die spezielle Ökologie sowie die kleinen, etwa
gelbockerlich gefärbten Fruchtkörper mit deutlichen weißen Rhizomorphen
an der Basis, so ist kaum eine Verwechslung mit anderen Arten möglich.
Werden die Fruchtkörper jedoch unvorsichtig gesammelt und die
Rhizomorphen abgetrennt, wären Verwechslungen mit anderen Arten der
Gattung Ramaria im weiteren Sinne (inkl. Phaeoclavulina) möglich, so z.
B. mit Murrills Koralle (Phaeoclavulina murrillii) oder mit Arten der Wiesenkorallen (Clavulinopsis und Ramariopsis). Im mediterranen Raum könnte die Art mit Phaeoclavulina quercus-ilicisverwechselt werden, die sich in Farbe, Habitus und Ökologie (Vorkommen eher in der Streu von Laubbäumen) unterscheiden soll.
Text: Gernot Friebes. Bild: Michaela und Gernot Friebes.
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